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Das wundersame Leben von Fuchs und Schlange: Kapitel 5

Schlanges leichenblasses Gesicht schwebte über Lucys. Er schien schon sehr alt zu sein, denn sein Haar war ebenso weiß wie seine Haut. Seine Augen funkelten gelblich-grün. Eine sehr ungewöhnliche Augenfarbe, stellte Lucy fest. Sie setzte sich auf und betrachtete die beiden merkwürdigen Männer in ihrem Krankenzimmer. Der eine ihr Vater, der andere ein Zeitreisender. „Aus welcher Zeit bist du?“, fragte Lucy. Schlange sah Fuchs an. „Du hast ihr also endlich alles erzählt?“ Er lächelte und wandte sich wieder Lucy zu. „Mittelalter. Ich war Akrobat, Seiltänzer und Trapezkünstler.“ „Wie alt bist du?“, fragte Lucy. „Als ich hierher kam, war ich 62, jetzt bin ich 72.“ „Heißt du wirklich Schlange?“ Schlange lächelte und schüttelte den Kopf. „Meine Freunde meinten, ich würde mich wie eine Schlange bewegen, daher der Name.“ Lucy nickte und betrachtete ihr Zimmer. Die Wände waren in einem zarten Hellgelb gestrichen. Die dünnen Vorhänge vor dem geöffneten Fenster waren weiß, genau wie der geflieste Boden. Die Tür öffnete sich wieder und eine junge Frau mit langen, rot-braunen Haaren und grünen Augen. Sie trug einen langen weißen Kittel. Als sie Lucy fragte, wie es ihr ginge, erkannte sie ihre Stimme aus dem Gewirr von Stimmen, die sich um sie gescharrt hatten, als sie den Anfall hatte. Dann bat die Ärztin Fuchs und Schlange zu gehen und fing mit der Untersuchung an. „Es ist wirklich sehr nett von deinem Großvater, dass er dich hier besuchen kommt“, meinte sie beiläufig als sie Lucy mit einer kleinen Lampe in die Ohren leuchtete. „Mein was?“, fragte Lucy verwirrt. Sie hatte schon lange keinen Großvater mehr. Die Ärztin schaute Lucy sehr besorgt an. Sie nahm einen Stift und schrieb etwas in ihre Notizen. „Ich muss testen, ob du an Gedächtnisverlust leidest. 1. Frage: Wie heißt du mit vollem Namen?“ „Lucy Luchs.“ „Und dein Vater?“ „Fuchs.“ „Mit Vornamen?“ „Ich denke schon.“ Die Ärztin notierte sich wieder etwas. „Wie heißt dein Großvater?“ „Der ist schon lange tot.“ Die Ärztin sah Lucy entgeistert an. „Er war doch gerade hier. Er kann also nicht tot sein, Lucy.“ „Meinen Sie den alten Mann mit den ungewöhnlichen Augen?“ „Genau, er ist doch dein Großvater, oder?“ Lucy überlegte. Hätte Schlange gesagt, dass er ein Forscher ist, der an einem Projekt arbeitet, das vor 10 Jahren von der Regierung eingestellt wurde, hätten sie die Polizei gerufen. Hätte er gesagt, dass er ein Zeitreisender ist, hätten sie ihn für verrückt erklärt. Hätte er gesagt, dass er ein Freund meines Vaters ist, hätten sie ihn, aufgrund meines Zustandes, nicht zu mir gelassen, also war die Lüge mit dem Großvater gar keine schlechte Idee. „Lucy?“, fragte die Ärztin. „Ach so, Ihre Frage. Ja, mein Opa war gerade hier. Sein Name ist Schlange und er war im Mittelalter Akrobat.“ Die Ärztin sah Lucy nur entnervt an und notierte sich auch dies. „Was ist dein Vater von Beruf?“ „So weit ich weiß, ist er Physiker.“ „Und was erforscht er?“ Lucy schaute die Ärztin fest an. Diese sah von ihren Notizen auf und schaute Lucy in die Augen. „Er erforscht Zeitreisen.“

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